Sonntag, August 20, 2006

Richtungswechsel


Neue Arbeiten des polnischen Malers Wawrzyniec Tokarski bei Vera Munro

Keiner verabreicht uns die bittere Medizin aus Konsumkritik und Globalisierungswahn so schonend wie Wawrzyniec „Wawa“ Tokarski. Seine politische Botschaft springt den Betrachter nicht mit einem Schrei aus dem Werk heraus an, sie lacht ihm vielmehr auffordernd ins Gesicht – manchmal mit einem Augenzwinkern. Tokarskis Arbeiten kommen formal auf zwei stabilen Beinen daher. Der Bildebene, oft fragmentarisch auf das Wesentliche beschränkt, steht gleichberechtigt eine Ebene der Zeichen gegenüber. Worte, Logos und Symbole gehören zu dem popkulturellen und poetischen Zeichenvorrat, aus dem Tokarski schöpft. Zwei Malereien der Ausstellung spielen mit dem verfälschten Emblem der Vereinten Nationen, das einmal blutrot auf gewischtem braun-pinkfarbenen Untergrund mit dem Spruch „Safe. Then Sorry“ versehen ist. Die andere Arbeit zeigt einen Himmel aus verschiedenen Blautönen, dem mittig, kaum sichtbar, der Lorbeerkranz des UN-Logos mit dem Ausdruck „O.K.“ eingeschrieben ist. Tokarskis künstlerisch-politische Praxis erinnert an die situationistische Kunst Guy Debords, allerdings ohne diese Wut im Bauch, ohne das klare Ziel des Umsturzes im Sinn. Tokarski scheint eher den leisen Aufstand zu proben. Dazu nimmt er hegemoniale Zeichen aus ihrem gewohnten Kontext heraus und lädt sie mit neuer subversiver Bedeutung auf. Da kann schon mal aus dem Logo der Jeansmarke „Levis“, das Wort „Evil“ werden. Besonders auffällig ist in diesem Zusammenhang die Referenz zur aktivistischen Bewegung der „Culture Jammer“, die sich – seit den 90er Jahren – in verschiedenen Ausprägungen, mal mehr mal weniger politisch, zeigt. Meistens geht es darum, starke Werbezeichen, zum Beispiel auf Billboards umzudeuten, um sich so den öffentlichen Raum zurückzuerobern. Auf der Straße werden diese Kämpfe vom herumschweifenden Streetartisten ausgefochten, die, mit Schablonen und Sprühdosen bewaffnet, Zeichen im urbanen Raum anbringen oder verändern. Auch Tokarski bedient sich dieser Techik, wenn er in der Arbeit „Down of...“ ein Heer von Friedenstauben – mit Schablone auf die Leinwand aufgebracht – vor einem apokalyptischen Himmel aufsteigen lässt. Im Gegensatz zu diesem wohlbekannten Motiv der Friedensbewegung fliegen hier die Tauben in die entgegengesetzte Richtung davon. Sollen wir also eine andere Marschroute einschlagen, Herr Tokarski? Wissen Sie, was zu tun ist?

Text zur Ausstellung „Sie wissen was zu tun ist. Danke“ von Wawrzyniec Tokarski, Galerie Vera Munro, 1.2. bis 28.3. 2006

Published in SZENE HAMBURG 02/06

Keine Kommentare: