Sonntag, August 20, 2006

Nie mehr allein


Der Projektraum FILTER präsentiert internationale Künstlerkollektive

Was haben Hügel aus menschlichen Körpern, multivalente Holzpuzzles und himmlische Energieblitze gemein? Man begegnet ihnen in der neuen Ausstellung des Kunst- und Projektraums Filter, wo im April international agierende, junge Kunstkooperationen im Fokus stehen.
Mit von der Partie sind u.a. das Schwesternpaar Tasha und Monica Lopez de Victoria, aka TMSisters, aus Miami. Einst organisierten sie Punkkonzerte, Happenings, brachten Fanzines heraus und nähten ihre Kleidung selbst. Heute setzt sich diese Do-it-Yourself-Ethik in ihren Arbeiten fort. Besonders beeindruckend sind ihre bunt-dynamischen Collagen aus Fotos, glitzernden Texturen und Stickereien. Und immer wieder Blitze. Sie sind als Motive in den Arbeiten der Amerikanerinnen allgegenwärtig, als Zeichen einer göttlichen Omnipräsenz und spiritueller Energie zugleich. Auch in ihrem Videogame „Super Bolt“, das vom Besucher der Ausstellung natürlich gespielt werden darf, blitzt es gewaltig. Und mittendrin der Spieler, der als Operateur seines virtuellen Stellvertreters direkt an der Arbeit der TMSisters partizipiert.
Auch die japanisch-polnischen Akteure von TOY fordern den Besucher auf, sich aktiv mit ihrem Werk auseinander zu setzten – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. TOY machen mehrteilige Holzskulpturen, die sich als Puzzles immer wieder zu neuen Figuren zusammen setzen lassen. So entstehen verschiedene Motive, wie Tiere, Schiffe, Landschaften oder Stadtarchitekturen. Die Künstler selbst spielen dabei auch - mit dem geografischen Raum zum Beispiel, der im Falle des Kollektivs selbst – die Individuen zwar voneinander trennt, die konzeptionelle Zusammenarbeit jedoch nicht zu stören vermag.
Leichter haben es die Künstlerinnen von VIP, zumindest in puncto Distanz, denn sie leben und arbeiten gemeinsam in Leipzig. Fotos bzw. Videos von Grit Hachtmeister, Lysann Buschbeck und Kathrin Pohlmann zeigen meist die Protagonistinnen selbst in traurig-gefühlvollen Situationen. Für den 2-minütige Videoloop „Menschenhaufen“ haben sie Freunde und Bekannte zusammen getrommelt, um sich im öffentlichen Stadtraum Leipzigs als lebende Hügel auf Bürgersteige und an Häuserecken zu legen. „I don´t wanna die alone“ heißt es in einem Lied, welches die Dia-Installation der Leipzigerinnen untermalt und betitelt. Eine autobiografische, elegische Arbeit. Weitere Positionen der Hamburg-Zürich-Connection OLGA und Beer Bench Gospel aus Vancouver, vervollständigen die Ausstellung „Episoden und Fragmente“.

Text zur Gruppen-Ausstellung „Episoden und Fragmente“, Projektraum FILTER, bis 30.4.06

Published in SZENE HAMBURG 04/06

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