Montag, September 10, 2007

Mandla Reuter – PICTURES


Nichts ist mehr privat. Diesen Eindruck könnte man jedenfalls gewinnen, wenn man heutzutage den Fernseher einschaltet und – ohne es zu wollen – Gast in den nachbarlichen Wohnzimmern wird. Dort beobachtet man dann Hinz und Kunz beim Kochen, Einrichten und Erziehen. Auch der in Berlin lebende Künstler Mandla Reuter widmet sich dem Privatraum, allerdings auf eine subtilere Weise. In einer 50-Quadratmeter-Wohnung in Kirchdorf-Süd richtet er ein temporäres Kino ein, komplett mit 35mm Projektor und Soundanlage, ganz so wie in einem echten Kinosaal - und deklariert damit den heimischen Lebensraum zum öffentlichen Lichtspielhaus. Im Programm: ein aktueller Blockbuster, wie er gerade auch in den kommerziellen Kinos läuft. Außerhalb des Gebäudes auf Höhe der Wohnung im 13. Stock kündigt ein großes Neonschild die Vorführzeiten und den projizierten Film an. Die Fragen, die der Künstler mit diesem Projekt aufwirft, streifen nicht nur den politischen Diskurs zum öffentlichen Raum, sondern kreisen auch um Kulturgebrauch, Wahrnehmung und Funktionsweisen der Raumnutzung. In erster Linie aber wird hier ein Spannungsfeld erzeugt. Dort wo die Öffentlichkeit in Gestalt des fremden Kinogängers auf das intime Zuhause einer Privatperson trifft, könnte sich etwas entwickeln, das zwischen Gastfreundschaft und Unbehagen changiert und wofür Jacques Derrida den Begriff der „Hostipitalité“ (zu deutsch: Gastfeindschaft) prägte. Wir wollen es nicht hoffen.


Mandla Reuter (Berlin): Pictures, Erlerring 10, Kirchdorf-Süd, Öffnungszeiten und Film (Die Simpsons): Mi., Sa., So. 19:30 Uhr bis 22:30 Uhr

Christiane Opitz, for SZENE HAMBURG 09/2007