Dienstag, Februar 05, 2008

Ordnung der Dinge


Der Künstler Nir Alon macht Möbel zu Stars in einem Schauspiel

Es blättert Farbe ab von den kleinen Tischen, Kommoden und Stühlen, die hier so kunstvoll übereinander gestapelt sind. Kein Wunder, denn die Möbel sind gebraucht. Sie stammen von einem Second-Hand-Laden in Harburg. Dort kaufen eigentlich Menschen ein, denen selbst Ikea noch zu teuer ist. Und eben der in Hamburg lebende israelische Künstler Nir Alon. In der Galerie Tinderbox präsentiert er diese durchgesessenen Sessel, zerkratzten Schränke und wackligen Tischchen als Installation, die raumfüllend die Aufmerksamkeit der Besucher auf sich zieht. Dabei schmiegen sich die über- und nebeneinander angeordneten Einrichtungsgegenstände ganz natürlich an die Galeriewand an.
Es ist eine neue Ordnung, die Alon hier vornimmt und sie erregt nicht den leisesten Zweifel. Alles – so scheint es – befindet sich genau am richtigen Platz. Selbst die drei Möbelstücke, die einzig von einem klapprigen Bürostuhl gehalten werden oder der dunkle Schrank mit den Glastüren, der auf einem viel zu kleinen Tisch steht. Doch dann, plötzlich, wirken die Gegenstände mit ihren Gebrauchsspuren doch etwas fremd im cleanen White Cube der Galerie. Wie Auswanderer in einer neuen, noch unbekannten Heimat. Wie Alons Eltern, die einst von Europa aus in den Nahen Osten immigrierten oder wie der Künstler selbst, der die umgekehrte Richtung einschlug.
Die Vergangenheit seines Materials, die auch bei der „arte povera“ eine zentrale Rolle spielte, ist für Alon wichtig. Die hölzernen Möbel erzählen von vielen Geschichten, Gefühlen und Dramen - von einem Leben vor ihrer Zeit als Teil eines Kunstwerks, als noch auf ihnen gesessen oder an ihnen gespeist wurde. Doch Mitleid erregen will der Künstler nicht. Vielmehr inszeniert er die alten Helden des Alltags, wie Stars in einem Schauspiel, indem er indem er ihnen eine Bühne bereitstellt, sie mit Licht ausstattet und sie dann wohlwollend den Blicken der Besucher überlässt.
Teil des Spiels sind auch die zahlreichen kunstgeschichtlichen Verweise. Von Dada, Environment-Kunst, die die Trennung von Kunst und Leben zu überwinden suchte, über Aktionskunst der 60er Jahre, Objektkunst bis hin zu Fluxus. Namen, wie Robert Rauschenberg, Marcel Duchamp oder Joseph Beuys fallen einem ein. Letzterer hatte in seiner Arbeit „Erdbeben im Palast“ von 1981 ebenfalls Möbel und verschiedene Alltagsgegenstände verwendet.

Nir Alon: The state of things, Tinderbox, Billwerder Neuer Deich 72 (Rothenburgsort), bis 15.2. Infos unter: www.tinderbox-art.com


SZENE HAMBURG, 02/2008, Text: Christiane Opitz
FOTO: Tinderbox