Sonntag, August 20, 2006

Glück ist anders


Retrospektive der Zeichnungen und Aquarelle Oskar Kokoschkas im Bucerius Kunst Forum.

Oskar Kokoschka war vom Augenblick fasziniert. Jenem magischen Moment, der nur Sekunden andauert und nur schwer festzuhalten ist. Schnell, intuitiv und spontan wirken seine Zeichnungen von Zeitgenossen, Tieren, Landschaften. Seine Modelle verwickelte er gern in Gespräche, um von der ungewohnten Situation abzulenken und dem Echten und Wahren der Person auf die Spur zu kommen. Das gelang ihm. Die Gezeichneten scheinen ganz sie selbst, festgehalten in einem Augenblick, unvergänglich.
In seinen Studien zu "Das Konzert" zeichnete Kokoschka mit schnellen, kräftigen Kreidestrichen Besucher einer Musikveranstaltung. Menschen, die zuhören. Sie haben die Augen geschlossen oder sehen - ganz dem Sinn des Hörens verschrieben - leeren Blickes am Betrachter vorbei. Erschrecken und Irritation verrät hingegen der Gesichtsausdruck der Gräfin Drogheda, die Kokoschka 1944 mit Kohle, Pastell und Aquarell auf Papier festhielt. Man erzählt sich, dass genau in dem Moment, als er die Adelige in London zeichnete, deutsche Bomben in der britischen Hauptstadt einschlugen.Kokoschka fror die Empfindungen mit schnellen, präzisen Strichen für die Nachwelt ein.
Mit 190 Arbeiten widmet sich die Ausstellung im Bucerius Kunst Forum dem zeichnerischen Werk Oskar Kokoschkas. Da es Zeitabschnitte gab, in denen Kokoschka wenig oder gar nicht zeichnete und sich eher der Malerei zuwendete, liegt der Ausstellung eine thematische, statt einer chronologischen Ordnung zugrunde. Die acht Themenkomplexe lassen so Gemeinsamkeiten in verschiedenen Lebenssituationen Kokoschkas erkennen und verbinden Früh- und Spätwerk des Malers. Zu sehen sind unter anderem seine Reiseskizzen (1940-1969), seine Entwürfe fürs Theater (1962-1974), Akte und Figuren (1905-1953) und seine Bildnisse (1911-1976).
Ein Komplex mit dem Titel "Glück ist anders - Kokoschka und Alma Mahler" zeigt Arbeiten Kokoschkas, die durch seine leidenschaftliche Beziehung zu Alma Mahler inspiriert sind. Höchstes Glück und tiefste Verzweiflung prägten die nur drei Jahre währende Liaison. Bevor er Alma kennen lernte, habe er, heißt es in einem Brief, nur ein „zeitloses, vegetatives Dasein“ geführt, danach das „Drama des Seins, Werdens, und Vergehens“ erlebt. Augenblick und Ewigkeit.


Text zur Ausstellung „Erlebnis des Augenblicks“ von Oskar Kokoschka; Bucerius Kunst Forum, bis 5.2.

Published in SZENE HAMBURG 01/06

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