Sonntag, August 20, 2006

Der Verweiser


Artfinder zeigt neue Arbeiten des schwedischen Künstlers Jacob Dahlgren.

Jacob Dahlgren nimmt uns mit auf eine vergnügliche Reise in die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. Vergnüglich deshalb, weil seine Verweise auf die großen Minimalisten und Konstruktivisten nicht übers Knie gebrochen daherkommen, sondern immer humorvolle, unprätentiöse Huldigungen seiner ästhetischen Vorbilder sind. Das liegt auch an Dahlgrens Materialwahl. Er arbeitet bevorzugt mit Alltagsprodukten, wie Jogurtbechern, Buntstiften, Folien oder Dartscheiben, die er als farbenfrohe, "skulpturale Malereien" mal minimalistisch-reduziert mal opulent im Raum positioniert.
Doch nicht nur auf der Materialebene existieren Parallelen zwischen Alltag und Kunst. Dahlgren lässt sich bewusst von Mustern und Farben seiner Umgebung inspirieren. Gestreifte Markisen, T-Shirts, gelb-schwarze Absperrmarkierungen und Schachbrett-Fliesen sind solche Muster, die er im Alltag findet und die ihm als Vorlage für neue Arbeiten - insbesondere seiner bekannten "Streifen" à la Daniel Buren - dienen. Zusätzlich angefertigte Fotos der Patterns stellen auf einer weiteren Ebene Referenzpunkte zwischen Kunstraum und der „Welt da draußen“ dar. Dazwischen scheint es keine hierarchische Ordnung zu geben.
In der Ausstellung "Early One Morning" sieht sich der Besucher erneut mit stilgeschichtlichen Zitaten konfrontiert. Auf dem Boden hat Dahlgren 64 Personenwaagen, eines bekannten schwedischen Möbelriesen, zu einer quadratischen Bodenskulptur angeordnet - Minimalkünstler Carl Andre lässt grüßen! Eine gelbe, eine dunkelbraune und eine schwarze Tür sind zu einem Tafelbild zusammengesetzt, das ohne Zweifel eine Hommage an Blinky Palermos konstruktivistische Formsprache darstellt.
Eine dritte Arbeit nimmt Bezug zum Ausstellungsort Hamburg oder noch spezifischer: zur Fleetinsel. Hier kann man an den Brücken „Durchfahrt-verboten“- Schilder sehen, deren rot-weiß-rote Farbgebung in gewohnter Manier vom Künstler aufgegriffen wird.
Ganz im Sinne des postmodernen Samplings bedient sich Dahlgren aus dem Fundus der Kunstgeschichte. Was dabei herauskommt sind keine geklauten Ideen, sondern spielerisch-clever zitierte "Klassiker der Moderne in neuem Gewand“. Dem Schweden gelingt das Kunststück, eigentlich unvereinbare Gegensätze miteinander zu verknüpfen, indem er Kunst und Alltag, billig (Material) und exklusiv (Werk) oder alt (Zitiertes) und neu (Zitat) zusammenbringt. Schöne, neue, abstrakte Welt.


Text zur Ausstellung „Early One Morning“ von Jacob Dahlgren; Galerie artfinder/ Hamburg, bis 15.04.2006

Published in SZENE HAMBURG 04/06

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