Montag, August 28, 2006

Dunkle Natur


Projektraum FILTER widmet dem Sujet „Wald“ eine Gruppenausstellung – mit drei KünstlerInnen aus Island, USA und Spanien.

Der nostalgisch verklärte Blick auf den Wald als Gegenentwurf zur rastlosen, hochgetakteten Existenz in den Städten ist keine Erfindung unserer Zeit. Wald als Mythos, als Sehnsuchts- und Zufluchtsort, so kannten ihn schon die großen Romantiker des 18. Jahrhunderts. Literaten wie Künstler preisen seit dem seine geheimnisvolle Aura und selige Natur. „Back to Nature“ - dieses Postulat wird heute noch immer dann laut, wenn Chaos und Unsicherheit im hyper-urbanisierten Leben derart zusetzen, dass nur noch die Flucht in die archaischen Wälder Rettung verspricht. Doch Vorsicht. Der Wald kann auch anders. Als Hort des Unheimlichen ist er Brutstätte des Bösen, Heimat märchenhafter Kreaturen und düsterer Geheimnisse .
Diese trifft man in der Arbeit der isländischen Künstlerin Gabríela Fridriksdóttier an. In ganz unterschiedlichen Medien – u.a. Skulpturen, Video und Zeichnungen – erzählt die 35-jährige mit skurriler Bildsprache aus der Sagenwelt Islands. Bizarre Natur gepaart mit dunklem Spiritualismus eröffnen dem Besucher eine fantastische und phantasmagorische Welt zwischen Fiktion und Realität. Fridriksdóttier, die mit ihrer Landsmännin Björk und deren Mann, dem Filmkünstler Matthew Barney bereits mehrere Musikprojekte realisierte, zeigt in der Ausstellung „a forest“ einen Teil der Installation Versation/ Tetralogia, damals eigens zusammengestellt für die Venedig Biennale 2005.
Als grausamer Peiniger zeigt sich die Natur in den Zeichnungen des Spaniers Luis Vidal. Karge Landschaften dornenreicher toter Bäume schreiben sich schmerzhaft in die Haut von Kindern ein. Zarte schwarzen Linien, der leichte Duktus, ein sanft hingetupftes Rot, scheinen die inhaltliche Botschaft zunächst zu verharmlosen. Schließlich geht es um Kindesmissbrauch. Doch dann wird klar, dass Vidals Stil die Zerbrechlichkeit von Kindern in einer feindlichen Umwelt unterstreicht und durch diesen Kontrast einen viel stärkeren, verstörenden Eindruck hinterlässt. Vidals Garden Eden entpuppt sich als infernalischer „Garden of Abuse“, in dem die grausame Natur für das Böse im Menschen steht.
Die Ausstellung „a forest“ im Projektraum FILTER wird erstmals von Gastkuratoren ausgerichtet – von Jocelyn Adele Gonzales Junco (Miami/ Hamburg), Kunstkritikerin und Kuratorin, sowie Gamaliel Herrara, Ausstellungsmacher und Leiter des „Space Other“ in Boston. Dort findet im Anschluss an die Show in Hamburg der zweite Teil von „a forest“ statt, mit KünstlerInnen wie Cang Xin (Beijing), Matias Faldbakken (Oslo), Guadalupe Ruiz Cifuentes Rihs (Zürich) und Ulla von Brandenburg (Hamburg).

Christiane Opitz

Gabríela Fridriksdóttier, Luis Vidal, Oliver Lutz : « a forest », FILTER, 28.8. (Vernissage) bis 23.9.

Published in SZENE HAMBURG 09/06

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