Sonntag, August 20, 2006

Gesang mit Tiefgang


Mit dem „Beschwerde-Chor Wilhelmsburg“ startet das Projekt SCHUTE der Galerie für Landschaftskunst

Zu wenig Geld im Portemonnaie, Regenwetter, nervige Handyklingeltöne – alles unerfreuliche Dinge von denen jeder ein Lied singen kann. Noch schöner lässt sich der persönliche Unmut über alltägliche Ärgernisse in Form eines mehrstimmigen Chores artikulieren. Das dachten sich die finnische Künstlerin Tellervo Kalleinen (FIN) und ihr deutscher Mann und Kollege Oliver Kochta-Kalleinen (D). Sie luden deshalb Einwohner Wilhelmsburgs ein, um Beschwerden zu formulieren, die von ortsansässigen Musikern vertont und dann öffentlich vorgetragen werden. Dieses Chorprojekt ist das dritte einer weltweiten Reihe von Beschwerde-Chören. Sieht man sich die Videos der beiden Vorgänger in Birmingham (2005) und Helsinki (2006) an, fallen vor allem die Unterschiede der Beschwerdegründe ins Auge- aller Globalisierung zum Trotz. Während in Birmingham in erster Linie über teures Bier, unfreundliche Busfahrer und langsame Computer geklagt wurde, ärgerten sich die Menschen in Helsinki besonders über ihre Mobiltelefone, stinkende Mitreisende in öffentlichen Verkehrsmitteln und die zu kurzen Sommer. Und was bringt die Hamburger auf die Palme? Wenigstens eine Erfahrung werden sie sicherlich mit Finnen und Engländern teilen: Meckern macht Spaß. Diesen Eindruck gewinnt der Betrachter jedenfalls beim Blick in die freudestrahlenden Gesichter der Sänger und Sängerinnen.

Der „Beschwerde-Chor Wilhelmsburg“ bildet den Auftakt einer Reihe von Aktionen und Ausstellungen, die im Rahmen des Projektes SCHUTE der Galerie für Landschaftskunst ab diesem Sommer stattfinden werden. Eine umgebaute Schute - jene, die bereits 2002 dem amerikanischen Künstler Mark Dion als biologische Forschungsstation diente – wird künftig an verschiedenen Punkten Wilhelmsburgs, Veddels und Harburgs als mobiler Ausstellungsraum fungieren.
Hauptanliegen der Kuratorinnen Corinna Koch und Iris Wehberg ist es, Anwohner der Viertel in die künstlerischen Prozesse einzubinden. Namhafte internationale Künstler werden mit Interessierten zu konkreten Themen gestalterisch arbeiten. Die Schute soll eine Kunst vermittelnde Rolle spielen und Projekte vor Ort anregen, die noch lange nach der Weiterreise des Schiffs bestehen bleiben.

Christiane Opitz

Tellervo Kalleinen & Oliver Kochta-Kalleinen: „Beschwerde-Chor Wilhelmsburg“; im Rahmen der SCHUTE/ Galerie für Landschaftskunst, Letzte Chor-Proben: 28., 29.6 + 1.7., Chor-Performance (Auftritt): 2.7., 17 Uhr auf dem Stübenplatz in Wilhelmsburg; www.schute-hamburg.de.

Published in SZENE HAMBURG 07/06

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