Dienstag, Oktober 18, 2011

Auf dem Grund


Helene Appel zeigt in ihrer ersten Ausstellung bei der Galerie Dorothea Schlüter neue großformatige Malereien.

Monomental und zugleich unprätentiös hängen die Werke im Raum. Fast wie große Fische, die zum Trocknen aufgehängt wurden. Und doch sind es ganz klassisch Malereien auf Leinwänden an der Wand. Das Organische, assoziativ mit dem Meer oder einem Gewässer verknüpfte, ist bei den Arbeiten der in Berlin lebenden Helene Appel sowohl der Machart, als auch dem Thematischen geschuldet. So hat die Künstlerin auf der großen, hochformatigen Fläche jeweils kleine Kieselsteine im Format 1:1 auf den rohen Stoff appliziert. Darüber sind, in einem komplizierten, irreversiblen Verfahren, mehrere Schichten Ölfarbe und Polyester aufgetragen worden. So entstanden Pfützenformen, die sich mittig ausbreiten und von Bild zu Bild variieren.
Die glänzende Optik des Kunstharzes, in dem sich zarte Wellenlinien kräuseln, sowie der Eindruck einer tatsächlichen Tiefe in das Bild hinein, so als blicke man auf den Grund einer echten Pfütze, faszinieren. Ein sinnliches Spiel zwischen Fläche und Dimension entspinnt sich, auf das sich der Betrachter gerne einlässt. Gleichzeitig sorgt der Kontrast zwischen dem reinen, bräunlich-dumpfen Leinwandstoff und des sich spiegelnden Wasserimitats für Irritation. Die Schubladen „künstlich“ und „natürlich“ werden aufgemacht und unvermittelt wieder geschlossen, denn verorten lassen sich die Malereien von Helene Appel weder in der einen, noch der anderen. Das gleiche geschieht mit den Ordnungen „Abstraktion“ und „Gegenständlichkeit“, die Appel mit jeder Arbeit neu zu verhandeln scheint. So täuschen ihre Werke aus der Distanz fast immer abstrakte Kompositionen an, die sich bei näherem Hinsehen doch als konkrete Malerei entpuppen. Genau wie das „Große Nylonnetz“, das sich als Querformat von den „Pfützen“ abhebt. Hier dominiert aus der Entfernung zunächst das üblich grobe Linnen, auf dem sich jedoch, zart und kaum sichtbar, eine helle Struktur abzeichnet. Erst beim Blick aus der Nähe verdichten sich die vermeintlich zusammenhangslosen Linien zu einem feinen Netz, das mit dünnem Pinsel und weißer Farbe ganz konzentriert und präzise auf den Bildgrund aufgebracht wurde. Feine Schatten betonen jede einzelne der vielen Schlaufen, von denen keine der anderen gleicht. Zusammen funktionieren sie – wie auch alle Arbeiten im Raum – wie ein großes Ganzes, wie ein Fischschwarm, der nur durch die Summe der einzelnen Teile enorme Kraft und Schönheit entfalten kann.

Helene Appel. Galerie Dorothea Schlüter, noch bis 22.10. Zur Eröffnung am Mönchehaus Museum Goslar erscheint am 30. September ein umfangreicher Katalog zu der Arbeit von Helene Appel (Textem Verlag Hamburg).

Text: Christiane Opitz, Published in SZENE Hamburg 10/11

Bild: © Helene Appel, Fishing Net, detail, 2010, Oil, watercolour and acrylic on cotton, 192 x 365 cm





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