Montag, November 23, 2009

Wölfe in Rothenburgsort


In der Galerie Tinderbox ist Corinna Korth als Mensch-Wolf-Wesen unterwegs.

Zur majestetischen Musik von "Also sprach Zarathustra" marschieren die Fußballmannschaften auf. Es werden Hymnen gesungen, der Anpfiff folgt, nach einer Weile der erste Torschuss. Alles wäre völlig normal, wären die Spieler, die dem Ball nachjagen nicht Menschen, sondern Hirsche und Wölfe.
Corinna Korth, 1975 in Hildesheim geboren, erfuhr im Jahr 2000 eine Art Wiedergeburt. Seither nimmt die Künstlerin die Rolle eines Mischwesen aus Wolf und Mensch ein und versucht, dessen Auseinandersetzung mit Zivilisation und Wildnis nachzuvollziehen. In Performances, Installationen, , Ftografien und Filmen untersucht Korth sowohl tierisches als auch menschliches Verhalten, das - wie im Falle des Fußfallspiels - durchaus Deckungsgleichheit im Revier- und Drohverhalten aufweisen kann. In dem Film "Nahrungskonkurrenz" (2003) hingegen sieht man einen Wolf und einen Bären, die sich in Aikidokleidung recht zivilisiert an dem Pelz gehen. Hier spielt die Künstlerin auf jene Diskrepanz an, die Wölfe und andere "verkannte" Tiere betrifft: Trotz hoher Intelligenz und ausgeprägtem Sozeialverhalten werden sie gefürchtet, gejagt und sogar ausgerottet. Barbarei ist eben keine Erfindung der Tiere.
Die semiwissenschaftlichen Arbeiten von Korth sind, wie man sich denken kann, keine Untersuchungen zur bedrohten Spezies Wolf, sondern Auseinandersetzungen mit dem eigenen Selbst, die ihr die Figur des Wolfes ermöglicht. Nicht immer sind ihre Werke so ironisch und humorvoll, denn die Künstlerin thematisiert ebenso Fragen zu Fremdsein, Ausgrenzung und Isolation. Für ihre Diplomarbeit an der HfbK 2001 ließ sich sich Korth als "Canis lupus" einbürgern samt Behördengängen, Sprachkurs und Gesundheitschecks bei Tier- und Menschenärzten. Als Wolf maskiert trat sie in der Öffentlichkeit auf, fuhr Bahn und lernte, was es heißt, anders zu sein. Hunde unterwarfen sich, ängstigten oder verliebten sich in das Mensch-Wolf-Wesen. Menschen machten zumeist einen großen Bogen. Sobald sie aber in menschlicher Sprache kommunizierte, verloren sie ihr Mißtrauen. Migration, Heimat und die Bedeutung von Sprache rücken so ins Blickfeld.
In letzter Zeit werden auch Ratten, Fledermäuse oder Füchse zu Protagonisten ihrer modernen Fabeln. Ein weiterer Film zeigt Rattenmenschen beim "parkouring", beim akrobatischen Erdunden von Stadträumen. Die politische Dimension dieser Sportart, bei der sich der Traceur den kürzesten Weg zwischen zwei Punkten sucht, dabei Wände und andere Hindernisse überwindet und so die Stadt zurückerobert, wird von. So leben heute etwa 6000 Füchse in London, in Berlin wohnen Wildschweine und Karlsruhe wird von einer Waschbärplage heimgesucht. Gentrification mal anders.



Christiane Opitz



Published in SZENE 10/2009


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