Samstag, Januar 06, 2007

„Wir haben sehr viel vor“


In diesem Monat startet das neue Programm des Kunstvereins Harburger Bahnhof mit der Asstellungsreihe „Reihe: Ordung“. SZENE HAMBURG sprach mit dem neuen künstlerischen Leiter, dem Künstler Tim Voss.

Szene Hamburg: Der Harburger Kunstverein hatte in der Vergangenheit eine große Fluktuation von Leitern und Kuratoren. Sie treten jetzt mit einem auf zwei Jahre angelegten Konzept an. Was haben Sie vor?

Tim Voss: Die Ausstellungsreihe „Reihe: Ordnung“ ist der Versuch, das Programms des Kunstvereins Harburger Bahnhof über eine neue Kontinuität erfahrbar zu machen. Insgesamt sieben formal und inhaltlich miteinander verbundene Ausstellungen unter den einzelnen Schlagwörtern und Titeln Arbeit, Liebe, Geld, Macht, Sex, Freiheit und Zukunft sollen einen affirmativen Anreiz für die Besucher bieten. Darunter geht es uns in einer Teamarbeit mit den Künstlern um eine ästhetische Aufteilung und Sichtbarmachung des Gemeinsamen des Gemeinschaft – voller Überraschungen. Neben der Ausstellungsreihe wird es aber auch einige kleinere Projekte geben.

Wie wollen Sie das Publikum vor Ort für den Kunstverein gewinnen?

Harburg hat eigentlich eine Öffentlichkeit für Kunst. Der Kunstverein ist sehr gut besucht, auch wenn er etwa die Hälfte seines Publikums von nördlich der Elbe zieht. Es gibt mehrere attraktive Kunst-Orte in Harburg, zum Beispiel die Sammlung Falckenberg in den Phönix-Werken und Art-Agents-Gallery. Trotzdem ist eine gute Öffentlichkeitsarbeit bisher vernachlässigt worden. Ein Mitgliederangebot mit Vorträgen und Führungen, wie man es aus anderen Kunstvereinen kennt, gab es hier in Harburg nie. Das werden wir einführen. Mein Wunsch ist es, dass es uns gelingt, für den Betrachter Situationen zu schaffen, die das Verhältnis zwischen ihm und der Kunstbetrachtung enthierachisiert. Wir haben sehr viel vor, ob es uns gelingt werden wir sehen.

Was möchten Sie mit Ihrem kuratorischen Team noch verändern?

Wir, das heißt Susanne Schröder, Veit Rogge und ich , wollen professionelle Strukturen einführen. Das heißt, wir wollen nicht nur unsere Ideen hineintragen, sondern kümmern uns auch um die Finanzierung. Für die erste Ausstellung haben wir jetzt Geld von der Bundeskulturstiftung bekommen. Auch zur Kulturbehörde haben wir wieder Kontakt aufgenommen, der verloren gegangen war. Aber wir suchen auch nach überregionalen Sponsoren und bieten Editionen an.

Wie sah die Vorarbeit zur ersten Ausstellung „Arbeit“ aus?

Wir haben uns gefragt: Was haben wir für einen Begriff von Arbeit und Tätigkeit? Gerade aus der künstlerischen Produktion heraus, die aus dem scheinbaren Paradox besteht, dass der Künstler zweckfrei arbeiteten und forschen soll, und genau darin seine Funktion besteht. Außerdem hat uns die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen interessiert. Da wurde auf einmal wieder die Frage gestellt „Wie lebe ich und wir möchte ich leben?“ und über Menschenbilder diskutiert. Das hat uns an dem Thema gereizt. Weniger seine realpolitische Umsetzbarkeit. Von diesem Gedanken werden wir ausgehen und die Initiative einfach mal als Kunstwerk behaupten.

Sehen Sie sich selbst mehr als Künstler oder mehr als Kurator?

Ich bin von meiner Ausbildung her Künstler, habe aus meiner jetzigen Praxis heraus mit beiden Begriffen so meine Schwierigkeiten. Aber scheinbar geht der Trend eh hin zur Mischform – wenn man sich beispielsweise anschaut, was Roger Bürgel für die nächste dokumenta vorhat. Die Definitionen sind in der Schwebe. Wir wollen ja auch in dieser Ausstellungsreihe unsere eigenen Arbeitsbedingungen im Harburger Bahnhof, die Strukturen mit thematisieren. Hierauf spielt auch der ironisch gemeinte Begriff der Ordnung an. Dazu gehört, dass wir jede Hierarchie in Frage stellen möchten, zum Beispiel eben auch in den Begriffen Kurator und Künstler.

Interview: Christiane Opitz

Harry Sachs, Franz Höfner, Markus Lohmann und Michael Böhler: „Arbeit“, 27.1. bis 1.4., Eröffnung: 27.1., 20 Uhr; „Reden über Reihe: Ordnung“ mit dem Archiv Kultur & soziale Bewegung: 20.1. 16 Uhr; Öffentliches Künstlergespräch: 28.1., 16 Uhr, Kunstverein Harburger Bahnhof., Im Fernbahnhof, Hannoversche Straße 85, Di-So 11-18 Uhr, Do 11-21 Uhr, Telefon 76 75 38 96; www.kunstvereinharburgerbahnhof.de.



Published in SZENE HAMBURG, January 2007