Freitag, Januar 30, 2009

Schatten im Wind


In den Arbeiten der japanischen Malerin Miwa Ogasawara verschwimmen die Grenzen zwischen Wahrheit und Wirklichkeit. Vera Munro zeigt neue Werke.


Ein leichter Wind geht durch die Glastür. Der transparente Vorhang davor jedenfalls wellt sich in den Raum, zeichnet eine feine Lichtkante auf den Boden. Zarte Falten auf dem Stoff halten die Schatten fest, bevor sie wieder in ihr Reich verschwinden können. Der Ort ist in ein undefinierbares, zwielichtiges gelbgrau getaucht.
Ogasawaras Arbeiten klingen. Hier in diesem Raum mit dieser Tür und dieser unglaublich fein gemalten Gardine, hört man den Wind - und leise, wie der bewegte Stoff über den Boden streicht. Die Künstlerin, die 1973 in Kyoto geboren wurde, studierte an der HfbK bei Norbert Schwontkowski, Werner Büttner und Michael Diers. Über ihre Arbeit sagt sie: „. Meine Malerei verschlingt die reale Welt und spuckt ihre eigene Wirklichkeit aus. Das ist die Wahrheit, die nur durch Phantasie kreiert werden kann. Ich nehme das, was ich sehe und lasse entstehen, was durch mich und mit mir wird.“
Das was die Künstlerin nach dem Einverleiben wieder ausscheidet, sind vor allem Szenerien, Räume, spärlich mit Mobiliar ausgestattet, zumeist menschenlos. Spärlich ist auch das Licht, das Ogasawara auf Wänden und auf dem Boden ausgebreitet, wie eine warme Decke. Das Zusammenspiel von Hellem und Dunklen ist durchdacht. Gekonnt wird es eingesetzt, um Architekturen und Details herauszuschälen. Die Fläche des Bildes öffnet sich für verwinkelte und verzweigte Räume, wie in der großen Arbeit „Ohne Bild“ (2008). Hier gibt es nur zwei Zimmer, eines mit und eines ohne Lichtquelle. Das helle lässt sich nicht vollständig einsehen. Was verbirgt hinter der Wand? Platz im Überfluss – für eigene Bilder, nämlich die des Betrachters. Auch „Raum 5“ spielt mit Licht und Schatten. Eine Tür in der Mitte, dahinter ein heller Raum, aus dem halbkreisförmiges Licht hinausläuft. Die klar voneinander getrennten Flächen des Bildes bilden Wände und Böden. Je länger man jedoch hinsieht, desto unlogischer erscheint einem die architektonische Konstruktion. Eine Sinnestäuschung? „Bei mir endet die Suche nach der Klarheit immer in der diffusen Zone, in der Ambivalenz, sagt die Künstlerin.“ Diese Ambivalenz entsteht, wenn die Welt Ogasawaras mit der wirklichen Welt verschwimmt. Bei ihrer Arbeit lässt sich die Künstlerin von Philosophie, Musik und Literatur inspirieren. Besonders die Werke des Schriftstellers Haruki Murakami, die sie vor allem in ihrer Teenagerzeit las, haben die 36-Jährigte stark beeindruckt. Die gleiche melancholische Stimmung, mit der der Autor die zwiespältige, moderne japanische Gesellschaft mit ihren isolierten Menschen beschreibt – meint man auch in Ogasawaras Bildern wiederzufinden.

Miwa Ogasawara: Windhauch – neue Arbeiten, Galerie Vera Munro, bis zum 9. März

Foto © Galerie Vera Munro, 2009


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